Fußball-EM – ein nationales Stelldichein

1. Es geht um Deutschland:

1.1 Bei der Fußball-WM/EM handelt es sich nicht um einen bloßen sportlichen Wettkampf, der ganz unpolitisch ist. Denn: Nicht unterschiedliche Teams treten sich im sportlichen Spiel gegenüber, sondern Nationalmannschaften. Die Mannschaften repräsentieren also Nationen, im sportlichen Wettbewerb treffen dementsprechend Nationen aufeinander: Deutschland spielt dann eben gegen England. Und genauso wird das auch von den Fans verstanden. Sie sind dann nicht einfach begeistert für die Sportart und den Nervenkitzel beim Spiel und drücken einer Mannschaft die Daumen, sondern „Deutschlandfans“, sie feuern dann auch nicht einfach die Spieler an, denen sie Glück wünschen, sondern unterstützen „unsere Jungs“. Sie begreifen sich als ein großes Wir und die gegnerische Teams inklusive Fananhang als „die Anderen“, die es zu „besiegen“ gilt.

Weil eben die Nation über das Fußballspiel repräsentiert wird, sind auf einmal eben auch Leute begeistert für ein Spiel, für das sie sich sonst nicht interessieren. Weil es um den Erfolg der Nation geht, ist für die Zuschauenden die Anhängerschaft zur deutschen Mannschaft dann auch selbstverständlich.

1.2 Länderspiele wie die der EM/WM werden von der Staatenwelt als Konkurrenz um nationale Ehre veranstaltet statt um Exporte, Währung und Gewaltmittel. Die Ehre der Nation ist dabei die ganz persönliche Sache der Fans selbst: Ihre Ehre ist mit den Siegen und Niederlagen der Nationalelf getroffen.

2. Die WM bietet eine Ausnahmesituation zum restlichen Alltag: Während der EM/WM ist Party angesagt, alle sind gut drauf und feiern einfach zusammen – als Deutsche, Franzosen usw. Was feiern sie da eigentlich? Ihre Gemeinschaft und ihren Erfolg. Bürger heben an der EM/WM das Gemeinschaftsgefühl, was sich hier erleben ließe, die Harmonie und Verbundenheit mit „allen“ positiv hervor.

Abgesehen davon, dass viele Leute schonmal als Nichtdeutsche usw. nicht zur Gemeinschaft gehören und eher Ab- als Zuneigung erfahren, soll mal geschaut werden was es mit diesem Gemeinschaftsgefühl auf sich hat.

2.1 Objektiv ist von der Gemeinschaft nicht viel zu sehen: Im Alltag stehen sich die Leute als Politiker und Untertanen, als Lehrer und Schüler, als Arbeitgeber und Arbeitnehmer usw. gegenüber. Die Organisation des materiellen Lebens ist von gesellschaftlichen Gegensätzen durchzogen: Arbeitgeber wollen Profit und nehmen den Lebensunterhalt ihrer Beschäftigten als Kosten in Betracht. Unternehmen konkurrieren um Marktanteile und Arbeitnehmer um Jobs. Politiker rufen fordern vom Volk regelmäßig mehr zu leisten und dabei bescheidener zu sein.

Von einer Gemeinschaft im Sinne gemeinschaftlich verfolgter Interessen ist also nichts zu sehen, stattdessen Konkurrenz.

2.2 Diese Konkurrenz wird auch von Bürgern gesehen, allerdings in verwandelter Form: Politiker denken zu sehr an sich und ihre Diäten oder persönliche Vorteile statt ans Volk, Unternehmer sind verantwortungslos oder profitsüchtig, Arbeitnehmer zu anspruchsvoll, Kollegen leisten zu wenig und verschaffen sich unverdiente Vorteile, Arbeitslose sind faul usw. Auch hier ist von Gemeinschaft nicht viel zu sehen. Aber in diesem Blick gelten die Taten der Einzelnen immer als Abweichung vom eigentlich anständigen Verhalten: Dauernd vergehen sich Einzelne aus Egoismus und Pflichtvergessenheit an der Gemeinschaft. Mit ihrem unanständigen Verhalten fügen sie der Gemeinschaft Schaden zu statt durch Anstrengung und Zurücknahme das Gemeinwohl voranzubrigen. Dass es die Gemeinschaft nicht gibt, sondern nur als Ideal und Forderung zeigt sich also auch hier. Statt aber die Gesellschaft dafür zu kritisieren, dass in ihr die materiellen Lebensinteressen immer gegen andere verfolgt werden müssen, kritisieren sie ihre Mitmenschen für mangelnde Pflichterfüllung. Auf diese Weise erhalten sich die Bürger die Vorstellung einer eigentlich bestehenden nationalen Gemeinschaft. Sie verwandeln sie nämlich in ein Ideal: Wenn nur jeder an seinem Platz in der Gesellschaft – alle Plätze gehen in Ordnung – verantwortungsbewusst wäre, dann käme auch für alle etwas heraus.

2.3 Die EM/WM bietet eine Ausnahmesituation zu diesem alltäglichen Gegeneinander. Hier steht man sich nicht als Kollegen oder Arbeitnehmer und -geber gegenüber, sondern als Deutsche. Von allen Interessen, die Leute so im Leben haben, sehen sie in dieser Eigenschaft ab. Was bleibt ist das Abstraktum Deutscher zu sein und diese abstrakte Eigenschaft bzw. das gemeinsame Für-Deutschland-Sein schließt sie zusammen mit allen anderen Deutschen. Weil es die Nation gar nicht als positive Gemeinschaft in der Wirklichkeit des bürgerlichen Alltags gibt, kann die Vorstellung nationaler Gemeinschaft nur neben oder getrennt von den alltäglichen Konkurrenzaffären verwirklicht werden, eben als Ausnahmesituation. Die sonst immerzu – wegen des „Egoismus“ und der „Verantwortungslosigkeit“ anderer – vermisste, bloß eingeklagte Gemeinschaft wird während der WM/EM einmal Wirklichkeit: Alle sind für Deutschland, alle feuern an und fiebern mit. Auf diese denkbar abstrakte Art und Weise, nämlich als das gemeinsame Bekenntnis zu Deutschland kann die sonst nur vorgestellte nationale Gemeinschaft erlebt werden. Und dieses Erlebnis ist Patrioten ein besonderer Genuss. In diesem parteilichen Bekenntnis sind sich Patrioten einig und auf diese Weise stellen sie die sonst vermisste Eintracht her. 

Auf diese Art und Weise kriegen es Patrioten hin, den ganzen gegensätzlichen Alltag – vom Lohnarbeiten, über’s Kinderziehen bis zum Steuerzahlen für das unwesentliche zu erklären zugunsten der Vorstellung vom großen Wir, das man ja eigentlich sei: „Wenn es nur immer so wie zur EM/WM wäre!“

2.4 Was also tun und feiern da Fans eigentlich? Während der EM/WM bestätigen sich Fans also die Richtigkeit ihrer Überzeugung: einer unverbrüchlichen Gemeinschaft anzugehören. Sie feiern sich in ihrer nationalen Identität. Das ist auch erstmal die Leistung der EM/WM: Die Moral nationaler Gemeinschaft wird hier erlebt und genossen. Insofern gibt der Party-Nationalismus eine Sichtweise auf den Alltag preis: Dass die Klassen- und Konkurrenzgesellschaft eine Gemeinschaft sei, in der alle an ihrem Platz ihren Beitrag für das großes Ganze zu leisten hätten. So wird neben den praktizierten Interessensgegensätzen und die Nation bestimmenden Über-, Unterordnungen sowie Ein- und Auschlüsse die Vorstellung nationaler Gemeinschaftlichkeit gepflegt. In der EM/WM feiern die Bürger*innen genau diese Geisteshaltung, mit der sie die Anforderungen von Staat und Kapital als ihre eigenen – Verantwortung! – wahrnehmen.

3. Anhänger der Nation rechnen sich Erfolge und Misserfolge der Nation als ihre eigenen an, so auch die Leistungen der fußballspielenden Repräsentanten der Nation: Ihr Erfolg macht deutsche Fans stolz und ihr Misserfolg traurig, schamvoll usw.

Ganz als ständen sie auf dem Feld, begreifen Patrioten das Spiel ganz als ihre Sache, weil hier ihre Nation repräsentiert wird. 

3.1 Der Bezug auf das Spiel ist dabei seltsam: Wegen der vorab feststehenden Parteilichkeit, ist Gewinn und Niederlage eben keine Frage des Spiels mehr, also eine durchaus unentschiedene Sache. Im Gegenteil: Vorab soll der Ausgang des Spiels feststehen, nämlich dass die eigene Nationalelf gewinnen soll. Auf den Sieg wird also bestanden, während die Niederlage als Schande gilt. Das ist insofern absurd als beim Fußballspiel immer eine Mannschaft verliert und die andere gewinnt und gerade der Nervenkitzel darin besteht, dass man nicht weiß wer gewinnen wird.

Warum ist das so? Anscheinend ist das nicht nur ein Spiel für die Fans, sondern eine Frage der nationalen und persönlichen Ehre. Wenn auf den Sieg bestanden wird, wird sich so etwas wie ein Recht auf Siege eingebildet, der eben der eigenen Nation zusteht und der andern nicht. Die Nation selbst scheint so großartig zu sein, dass sie einfach den Erfolg verbürgt. Recht auf Sieg heißt dabei immer: Unbedingte Durchsetzung gegen die anderen Nation.

3.2 Das Recht auf Erfolg/Sieg erfordert dann Einsatz von jedem Mitglied der Gemeinschaft: Von den Spielern, den Trainern, aber auch den Fans als „zwölftem Mann“. Jeder soll an seinem Platz mit seinen Fähigkeiten, das Seine zum Erfolg der Nation beitragen, um ihr Ehre zu machen: Die Spieler müssen „alles geben“ und „bis zum Ende kämpfen“ – durchhalten, kämpfen, aushalten sollen sie – sie sind es der Nation einfach schuldig! Die Fans sollen mindestens qua Bemalung und Zujubeln, hinter „ihren Jungs“ stehen, also ihre Bereitschaft zur Parteinahme demonstrieren. Jeder soll da einen Beitrag leisten und dieses geistige Sichreinhängen als das geilste überhaupt begreifen: Schwarz-rot-geil.

Den Leuten kommt das natürlich gar nicht als eine Verpflichtung vor, sondern für sie gibt es nichts normaleres. Ihnen ist die Parteilichkeit so selbstverständlich, dass sie ihnen erst auffällt, wenn man nicht genauso als Deutschlandflagge rumrennt: Das wird als Abweichung für seltsam befunden oder aber als Miesmachertum betrachtet und im Eskalationsfall mit Ausgrenzung per Beleidigung oder Gewalt beantwortet. An solchen Reaktionen jedoch könnte einem auffallen, dass es sich beim wieauchimmergearteten Einsatz für die Nation um ein Sollen handelt, das nicht einfach aus Neigung entstanden ist.

3.3 Im Siegesfall erfährt das Recht auf Sieg Erfüllung, der Nation geschieht ihr Recht. Alle freuen sich als hätten sie gerade im Lotto gewonnen und keine Sorgen mehr. Der eingetrene Erfolg, auf den die Nation ja eh Anspruch habe – erst recht eine „Fußballnation“ wie Deutschland – wird als Triumph über die anderen genossen. So bestätigen sich Fans, das was sie eh schon wussten: dass sie einer vortrefflichen Gemeinschaft angehören und loben sich gegenseitig dafür mächtig was beigetragen zu haben: Alle waren wahnsinnig tugendreich! Und ohne alle wäre das gar nicht möglich gewesen.

3.4 Im Fall der Niederlage geschieht der Nation ein Unrecht. Das, was nicht sein darf ist eingetreten, weswegen es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Entweder waren die Schiris ungerecht oder die eigenen Spieler Flaschen oder das eigene Land hat den Sport zu wenig gefördert usw. So wird der Ausgang des Spiels als eigentliches Unrecht angesehen. Das heißt nicht unbedingt, dass der Sieg den anderen gleich ganz vergönnt wird – z.T. geben sich Fans dann ja auch geschlagen und gestehen den anderen zu, gut gespielt zu haben – dann sind sie allerdings zutiefst beschämt oder verachten die Spieler dafür Schande über ihre Nation gebracht zu haben – wo der doch eigentlich ganz was anderes zusteht. Wenn Fans sich partout nicht mit der Differenz von selbstgerechter Überzeugung der Überlegenheit der eigenen Nation und der wirklichen Unterlegenheit im Balltreten zufrieden geben wollen, eröffnen sie auch mal die „3. Halbzeit“, in der sie dann mit den anderen Wahnsinnigen klären, wer „das Sagen“ hat.

4. Nach der EM/WM (eigentlich auch die ganze Zeit währenddessen) definiert die Politik, worin die nationale Gemeinschaft wirklich besteht, indem sie ihren Inhalt vorgibt: Sie legt nämlich nach ihren Maßstäben fest, worin das nationale Gemeinwohl besteht und nimmt dafür ihre Untertanen als Lohnarbeiter_innen, Konsumt_innen, Versicherungsbeiträger_innen und Steuerzahler_innen in Gebrauch.

4.1 Die Vorstellung einer zusammenstehenden Gemeinschaft ist hierfür besonders produktiv. Die Überzeugung eine nationale Gemeinschaft zu sein, der der Erfolg zusteht, bekommt nun ihre Aufgaben und Herausforderungen vorgegeben. Die Politik nimmt den Gemeinschaftsgeist also in die Pflicht, wenn sie ihm einen Inhalt zuordnet: Die Nation braucht jetzt längere Lebensarbeitszeit, Innovationen, Einsatz für die Souveränität der Ukraine usw.

Es ist also der Staat, der festlegt, wofür der nationale Gemeinschaftsgeist da sein soll. Er greift dabei auf die Parteilichkeit seiner Untertanen zurück, die sich als Anhänger_innen der Nation auch vorgeben lassen, was jetzt konkret für ihr Vorankommen ansteht.

4.2 Die nationalistische Überzeugung der zum Einsatz verpflichtenden Zusammengehörigkeit entsteht nicht erst mit der WM, sondern wird hier abgerufen und gefeiert. Die Politik richtet die EM/WM also nicht ein, um den Nationalismus zu erzeugen, sondern um ihm Angebote zum Ausleben zu machen – auf diese Weise pflegt sie die für sie so nützliche Geisteshaltung.

5. Das heißt nicht, dass Nationalisten mit allen konkreten Beschlüssen und Forderungen der Politik einverstanden sind – sie sind schließlich bei der EM/WM auch nicht für Merkel, sondern für Deutschland! Unzufriedenheit gibt es mit jeder Reform und Mekeleien an allen Politikern. Diese Unzufriedenheit wendet sich aber dann eben auch immer nur gegen die einzelne Politiker oder die Umsetzung einzelner Maßnahmen und nicht gegen die Ämter der Politiker oder die Zwecke der Maßnahmen selbst. Eine grundlegende Entzweiuung kommt zwischen Volk und Führung deswegen nicht zustande, weil das Volk und die Führung im Anliegen die Nation voranzubringen einig sind. Während der EM/WM besuchen auch Politiker die Spiele, um die Einigkeit zwischen Volk und Führung zu präsentieren: Gemeinsam begeistert man sich für die Nation, oben und unten sind gleichermaßen der Nation verpflichtet. Die Politik organisiert nicht die Sache der Nation, sondern in der Ideologie diene auch sie der höheren Sache der Nation – so wie alle anderen auch. 

Einzelne Maßnahmen lassen sich dann als mangelhafte Wege des Erfolgsstrebens verbuchen; dass sich der nationale Erfolg aber gehört und dafür Einsatz erforderlich ist, ist von vornherein klar. Weil die Nation als Ideal, an dem sich alles auszurichten hätte, abgetrennt wird von der wirklichen, kann man mit der wirklichen Gemeinschaft zwar unzufrieden sein, aber immer nur als unverwirklichte. Nationalisten bringen es also fertig das Idealbild gegen seine schlechte Verwirklichung erbittert festzuhalten.

Fazit: Die EM/WM ist also insofern unpolitisch, als keine konkrete Maßnahme der Politik bejubelt wird – da hätte man auch wenig zu feiern: Längere Lebensarbeitszeiten, Niedriglohnsektor, Existenzunsicherheit, Harz IV, Kriege? Das Fest der Nationen ist aber insofern sehr politisch als hier einmal mehr die ganz prinzipielle Anhängerschaft zu Staat und Kapital – eben ideologisch verwandelt in eine nationale Gemeinschaft – zum Ausdruck kommt. Diese prinzipielle Anhängerschaft besteht dann auch in der prinzipiellen Bereitschaft sich herzugeben für die konkreten Erfordernisse, die im Namen der Nation dann anstehen. Insofern ist es ein politisches Bewusstsein was hier seinem Gehalt nach zum Ausdruck kommt: Ich gehör hierher, begreife die Gesellschaft und ihren Staat als die meinen und bin bereit ihnen zu nützen, sprich dienstbar zu sein.

6. Der Wettkampf der EM/WM hat etwas besonderes: Auch außerhalb der WM-Festivitäten treten die Nationen gegeneinander an: Sie konkurrieren um Absatzmärkte, Kredite, Währungen; um überlegene Gewaltmittel und die Durchsetzung als Rechtssetzende Instanzen. Diese Konkurrenz gehen sie ein, um ihren nationalen Erfolgsweg als kapitalistische Staatsgewalten zu verfolgen.

Um diese Konkurrenz geht es bei der EM/WM nicht. Keines der nationalen Interessen wird von Erfolg oder Misserfolg der Nationalelf befördert oder behindert; dennoch leisten sich die Staaten einen riesen Aufwand für diese Veranstaltung. Welches Interesse haben sie also an dieser Veranstaltung? Ein Volk, dass aus freien Stücken tut, was es soll. Ein Volk, dass nämlich eine intakte Moral besitzt, mit der es von sich und anderen den Einsatz für die Nation als verspürt und verlangt. Ein Volk, das nicht erst Bedingungen stellt, um mitzumachen, sondern von vornherein bereit ist Beiträge für die Nation zu leisten statt das als ausbeuterische Ansprüche der Herrschaft von sich zu weisen.

7. Falsche Kritiken an der WM:

7.1 „Brot und Spiele“ / „Bestechung“: Antike Herrscher haben mit der Öffnung der Kornkammern und der Belustigung des Volks beim Volk um Zustimmung zu sich als Herrscher geworben, also um persönliche Anhängerschaft. Im Unterschied dazu hat die moderne EM/WM aber ihren Reiz darin, dass die Zustimmung zu einer im übrigen unpersönlichen Herrschaft ausgelebt werden kann, eben als Jubel über die eigene Nation. Die Zustimmung ist bei dem Fest also vorausgesetzt. Es kursiert auch gar nicht das Bild, das die Politik „uns“ jetzt mal wieder eine EM/WM zum Freuen und Entspannung verschafft oder weil wir die uns verdient haben, sondern alle freuen sich wie wahnsinnig auf die WM und können es kaum erwarten, dass es losgeht.

7.2 „Eigentliche Profiteure“: Linke verweisen gerne auf große Unternehmen, die ein großes Geschäft aus der WM machen. Das ist nicht zu bestreiten, schließlich beauftragen die Gastgeberländer Firmen für die Herrichtung der EM/WM-Stätten und am Nationalismus der Völker lässt sich qua Merchandise-Artikel-Verkauf auch prächtig verdienen. Erklären tut sich die ganze Veranstaltung daraus aber nicht. Schließlich braucht es Volk, das so etwas kaufen will und Staaten, die überhaupt eine derartige Veranstaltung in Auftrag geben. Dementsprechend werden Staaten und Volk dann auch etwas von der EM/WM haben.

8. Als Wettbewerb bietet die EM/WM Fläche für Ideologie:

8.1 ‚Fairness‘ als Ideal: Nicht die ökonomischen und Gewaltmitteln würden entscheiden, sondern die reine sportliche Leistung. Hier habe jeder eine Chance. Das wird als gutes Bild über den Wettbewerb verkauft – ganz ähnlich soll man sich die Konkurrenz auf dem Weltmarkt dann auch denken. Dabei muss man aber unterschlagen, dass sie hier das Gewinnen und Verlieren eben kein Spiel ist, sondern über die materiellen Lebensbedingungen entscheidet. Dabei muss man auch unterschlagen, dass das Abschneiden in der Konkurrenz Grundlage für die nächste Runde ist: Verlierer haben damit schlechtere Karten oder scheiden aus, während die Gewinner der Konkurrenz mehr Mittel akkumuliert haben, um die neue Runde für sich zu entscheiden. Selbst wenn es einfach pur nach Leistung zuginge: Warum soll eigentlich die Versorgung an die Leistung geknüpft sein? Braucht denn jemand weniger, weil er weniger arbeiten kann?

8.2 Sport als Vergleich abstrakter Leistungsfähigkeit: Staaten veranstalten den ideellen Wettbewerb zwischen sich nicht zufällig als Sportveranstaltung. Hier findet eine unmittelbares körperliches Kräftemessen der Elitesportler der Nation statt, die wiederum Repräsentanten der Nation sind. Sie verkörpern damit die abstrakte Leistungsfähigkeit und die dazu gehörigen Tugenden (durchhalten, Kampfgeist usw.) der Nation. Das hat zum einen die Seite des Angebens gegenüber anderen Nationen: Solche sind wir, aber zum anderen eben das Identifikationsangebot ans eigene Volk: Solche sind wir!

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